Warum keine zwei Jahre Garantie?
Oft gewähren Kamera- und Objektivhersteller nur ein Jahr Garantie. Aber sind in der EU nicht zwei Jahre Garantie gesetzlich vorgeschrieben? Dieser Irrtum ist weit verbreitet und beruht auf einer Verwechslung der Garantie des Herstellers mit der Gewährleistung des Händlers. Die vom Hersteller gewährte Garantie ist freiwillig; der Hersteller legt nach Belieben fest, wie lange die Garantie gilt, welche Ausfälle sie abdeckt und welche Leistungen sie umfasst. Typische Verschleißprodukte sind typischerweise von der Garantie ausgenommen und müssen vom Kunden ersetzt werden. Auch wenn Indizien auf einen unsachgemäßen Gebrauch hindeuten, kann der Hersteller eine Garantieleistung verweigern.
Die Garantiebedingungen können auch von Land zu Land unterschiedlich sein, so dass man beispielsweise in Deutschland eine längere Garantie gewährt, wenn man den Eindruck hat, dass der deutsche Kunde darauf besonderen Wert legt, während der typische Kunde in einem anderen Land vielleicht vor allem auf den Preis schaut und schlechtere Garantiebedingungen in Kauf nimmt, wenn er dafür weniger zahlen muss. Wenn man Ware kauft, die für ein anderes Land als Deutschland bestimmt ist, so gelten auch die Garantiebedingungen für dieses Land – und zwar selbst dann, wenn man bei einem deutschen Händler kauft, der seine Ware aus dem Ausland re-importiert hat. Wenn der Hersteller also nur ein Jahr (oder, wie in den USA oft üblich, nur 90 Tage) Garantie gewährt, dann muss man diese Beschränkung hinnehmen.
Vom Anspruch auf Garantie, zu der sich der Hersteller selbst und zu seinen eigenen Bedingungen verpflichtet, ist die Gewährleistungspflicht des Händlers zu unterscheiden, die in der EU tatsächlich gesetzlich geregelt ist. Die Richtlinie 1999/44/EG schreibt vor, dass die Gewährleistung innerhalb von mindestens zwei Jahren in Anspruch genommen werden kann. Das Gewährleistungsrecht regelt den Anspruch des Kunden, vom Händler einwandfreie Ware zu erhalten, und so erstreckt sich die Gewährleistung ausschließlich auf solche Mängel, die schon beim Kauf vorhanden waren, während die Garantie üblicherweise auch später entstehende Schäden umfasst. Anders gesagt: Bis zum sogenannten Gefahrübergang (faktisch die Übergabe der Ware an den Kunden beim Kauf) trägt der Händler die Verantwortung für die Ware, danach aber der Kunde.
Nun muss ein schon zum Kaufzeitpunkt vorhandener Schaden nicht sofort sichtbar sein; es ist durchaus möglich, dass er sich erst später bemerkbar macht und daher vom Kunden erst lange nach dem Kauf entdeckt wird. Innerhalb des ersten Jahres (vor dem 1.1.2022 waren es nur sechs Monate) liegt die Beweispflicht beim Händler, der gegebenenfalls nachweisen müsste, dass ein festgestellter Schaden erst nach dem Kauf entstanden ist. Nach einem Jahr kehrt sich die Beweislast um; nun muss der Kunde belegen, dass der Schaden schon zum Kaufzeitpunkt vorhanden war.
Eine mehrjährige Herstellergarantie ist meist mehr wert als die gesetzlich garantierte Gewährleistungspflicht des Händlers – nicht nur weil es schwierig ist, mehr als ein Jahr nach dem Kauf noch auf den Gewährleistungsanspruch zu pochen, sondern auch weil die Garantie durchweg viele Fälle von später auftretenden Schäden abdeckt, die von der Gewährleistungspflicht gar nicht berührt werden. Wenn ein Versender nicht eindeutig erklärt, Ware für den deutschen Markt zu liefern, auf der anderen Seite aber auf den zweijährigen Gewährleistungsanspruch verweist, dann ist das ein sicheres Indiz dafür, dass hier re-importierte Ware mit schlechteren Garantieansprüchen als in Deutschland üblich angeboten wird.